Im M?rz des Jahres 2000 ver?ffentlichte Robert Shiller sein Buch ?Irrationaler ?berschwang?, dass bald darauf ein Bestseller werden sollte. Der Zeitpunkt war perfekt. Denn genau in jenem Monat platzte die Dotcom-Blase, so wie Shiller es in seinem Buch vorausgesagt hatte. Der Yale-Professor wurde ins Rampenlicht katapultiert und dort blieb er auch. Zum zweiten Mal lag er richtig, als er vor einem Kollaps der Immobilienpreise in Amerika warnte, und zwar lange bevor die Preise fielen. Seitdem ist Shiller ein Prominenter unter den Wirtschaftswissenschaftlern.

Robert J. Shiller
Robert J. Shiller
Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften, 2013 (anteilig)
Auf einen Blick
Auf einen Blick
Geboren:?1946, Detroit, Michigan, USA
Fachgebiet:?Finanz?konomie
Ausgezeichnetes Werk:?Die empirische Analyse von Kapitalmarktpreisen
Beliebteste Geschichten ¨¹ber Bob Shiller:?Konnte sein Auto nicht wiederfinden, hatte in der Schule eine Vier in Staatsb¨¹rgerkunde, mag keine halben Sachen, ist generell an ungew?hnlichen Themen interessiert (wie die Wanderung der Zugv?gel nach S¨¹damerika)
Beste Ehefrau der Welt:?Gestattete ihm, eine Hypothek aufs Haus aufzunehmen, um in sein Unternehmen zu investieren (das zum Gl¨¹ck erfolgreich war)
Schwerpunkt seiner Arbeit:?Setzt sich f¨¹r eine neue Finanzordnung ein
Lektion gelernt:?Niemals einen Wirtschaftsprofessor und Kameramann an einem regnerischen Tag unbeaufsichtigt lassen ¨C sie werden komplett durchn?sst nach Hause kommen
Kein typischer Akademiker
Kein typischer Akademiker
Shiller ist Kolumnist bei der New York Times, Akademiker, Autor und Nobelpreistr?ger und das Kind litauischer Einwanderer. Auch ¨¹ber unternehmerische F?higkeiten verf¨¹gt er: So baute er ein eigenes Unternehmen auf, um einen Immobilienpreisindex einzuf¨¹hren.
Es gibt zwei Dinge, die ihm Nahestehende ¨¹ber ihn sagen: Zum einen kann er nur schwer nein sagen, obwohl er unglaublich besch?ftigt ist. Und zum anderen redet er sehr gern. Als wir ihn auf dem Campus der Yale University treffen, wo er seit 1982 als Professor der Wirtschaftswissenschaften lehrt, verstehen wir schnell, warum seine Frau Virginia ?Ginny? Shiller, eine Psychologin, glaubt, er k?nne an einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leiden. Er hat so einen Blick in seinen Augen, so als ob er mehreren Gedanken gleichzeitig verfolgt ¨C ohne auch nur einen davon loszulassen.
Einbeziehung der Psychologie in die Wirtschaftswissenschaften
Shiller ist einer der Begr¨¹nder der Verhaltens?konomie, insbesondere der verhaltensorientierten Finanztheorie (?Behavioral Finance?). Gemeinsam mit zwei anderen ?konomen, Daniel Kahneman und Richard Thaler, entwarf er einen neuen Ansatz, der die bisherige Denkweise grundlegend in Frage stellte. Seit Jahrzehnten betonen sie, wie wichtig es ist, den Blickwinkel zu erweitern und andere Disziplinen in die Wirtschaftswissenschaften einfliessen zu lassen.
Ich stelle mir die Revolution der Verhaltens?konomie als eine Art Gegenrevolution vor, die eine ¨¹berm?ssige Spezialisierung als nicht zielf¨¹hrend erachtet und eine R¨¹ckkehr zu einem normalen Diskurs innerhalb der Sozialwissenschaften bef¨¹rwortet.
Es ¨¹berrascht kaum, dass ein Mann, den seine Freunde als an nahezu Allem interessiert beschreiben, das weite Feld der Wirtschaftswissenschaften aufbricht und auch andere Fachgebiete gr¨¹ndlich unter die Lupe nimmt. Als Shiller mit dem Studium begann, hatte er ein Problem: ein Hauptfach w?hlen. ?Daf¨¹r musste ich meinen Kindheitstraum aufgeben, alles zu machen?, sagt er. Er erz?hlt, wie schwierig es f¨¹r ihn war, eine Entscheidung zu treffen und nicht zu wissen, ob es die richtige war, auch wenn heute nat¨¹rlich die meisten Leute ¨¹berzeugt davon sind, dass dem so ist. Er entschied sich f¨¹r die ?konomie. Doch es war letztlich sein Interesse an vielen Wissenschaften, das den Weg f¨¹r ein neuartiges Konzept ebnete.
Den Status quo in Frage stellen
W?hrend seines Bachelorstudiums an der University of Michigan hatte Shiller zum ersten Mal die Idee, psychologische Aspekte in der ?konomischen Analyse zu ber¨¹cksichtigen. Seine Frau ermunterte ihn schliesslich, tiefer in die Materie einzusteigen. ?Sie hat mich dazu angeregt, ¨¹ber Psychologie nachzudenken?, erinnert sich Shiller. ?Ohne ihre ?berzeugungskraft w?re ich vielleicht nicht der ?konom, der ich heute bin.? Der Gedanke, dass Finanzen und die Weltwirtschaft durch das Verhalten und Denken der Menschen bestimmt werden, entwickelte sich zu einem Schwerpunkt seiner Forschung. Als Shiller in den 1970er und 1980er Jahren erstmals in Erscheinung trat, waren die Wirtschaftswissenschaften zu einem ?usserst mathematiklastigen Feld geworden. Er hielt es jedoch f¨¹r falsch, in einer so stark vom Menschen abh?ngigen Fachdisziplin zu strikt vorzugehen.
Warum Finanzm?rkte ineffizient sind
??konomen betrachten den Aktienmarkt; sie sehen das Auf und Ab und haben f¨¹r gew?hnlich nicht die geringste Erkl?rung daf¨¹r?, sagt er. ?Sie f¨¹hlen sich aber gen?tigt, einen Grund daf¨¹r zu liefern. Also entwickelten sie eine Theorie, die ihre Unwissenheit entschuldigte.? Shiller spielt auf die Markteffizienzhypothese an. Er wollte ?eine zutreffendere Darstellung? liefern, was 1981 schliesslich zur Ver?ffentlichung seines ersten, sehr bedeutsamen Arbeitspapiers f¨¹hrte. Sein langj?hriger Freund und Kollege John Campbell von der Harvard University erinnert sich noch an den Moment, als er das Papier las. Er wartete auf einen Zug an der Bahnstation in New Haven, Connecticut, und wollte den Autor unbedingt kennenlernen.
Das Nobelwerk: Widersprach dem Konzept der Markteffizienz
War diese Frage inspirierend f¨¹r Sie?
War diese Frage inspirierend f¨¹r Sie?
Dann lassen Sie sich die neusten Nobel Perspectives senden.
Ein radikal neues Konzept
?Bob hatte diese ganz einfache Erkenntnis?, erkl?rt Campbell. ?Schaute man sich die Aktienkurse an, schienen sie viel volatiler als der Strom k¨¹nftiger Dividenden, die sie angeblich vorhersagten. Wenn aber die Prognose zu stark schwankt, heisst das, die Menschen ?ndern ihre Meinung auf vorhersehbare und somit irrationale Weise.?
Zu einer Zeit, als die Modelle rationaler Erwartungen vorherrschten, war Shiller bereit, etwas zu riskieren. Er kam mit einer ?berzeugung daher, die vielen jungen ?konomen imponierte. Gleichzeitig musste er auch harte Kritik einstecken. Ginny erinnert sich noch daran, wie entmutigt ihr Mann in diesen Tagen oft nach Hause kam. Es war ein steiniger Weg ¨C aufgrund der Revolution konservativer Kr?fte, die im Gange war. Grossbritannien wurde von Margaret Thatcher, der ?Eisernen Lady?, regiert und Ronald Reagan war Pr?sident der Vereinigten Staaten. Laut Shiller herrschte der allgemeine Glaube vor, ?der Staat solle sich komplett aus den M?rkten heraushalten.?
Viele vertraten die Auffassung, man solle die M?rkte als eine Art Orakel betrachten, das eine grundlegende Wahrheit verk¨¹ndet. Marktbewegungen wurden mit der Frage quittiert: ?Was hat sich der Markt in seiner unendlichen Weisheit heute gedacht?? Doch f¨¹r Shiller h?rte sich das nicht richtig an. Er blickte etwas skeptischer auf die Finanzwelt und argumentierte, dass die M?rkte nicht alle verf¨¹gbaren Informationen umfassend ber¨¹cksichtigten und deshalb ineffizient seien.
Warum die Regulierung der Finanzm?rkte wichtig ist
Kann die Finanzindustrie dabei helfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen?
Kann die Finanzindustrie dabei helfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen?
Es gab Momente, da h?tte Shiller sich gew¨¹nscht, sein Arbeitspapier 1981 niemals geschrieben zu haben, auch wenn es ihm 2013 gemeinsam mit Eugene Fama und Lars Peter Hansen den Nobelpreis einbrachte. Er vertrat unvermindert die Meinung, dass der Markt haupts?chlich durch ?nicht-?konomische Faktoren, die ?ngste der Menschen, Vorurteile, Reaktionen auf die Berichterstattung in den Nachrichten, Wahlen und sonstige Kampagnen? getrieben ist. Und er ging noch einen Schritt weiter, indem er sagte: ?Zu glauben, etwas Besseres als die M?rkte g?be es nicht f¨¹r das menschliche Wohlergehen, ist schlichtweg falsch.?
Shiller widersprach der Ansicht, M?rkte sollten sich selbst ¨¹berlassen werden, und forderte neben der Schaffung neuer Finanzm?rkte und -institutionen weitere Arten von Regulierung. Er weiss, dass das Vertrauen der Menschen seit der Finanzkrise 2008 nach wie vor gest?rt ist und das Risiko einer weiteren Krise bleibt.
Allerdings will er die Finanzindustrie nicht einfach verdammen, sondern sieht sie als ein wertvolles Instrument f¨¹r die Schaffung einer besseren Gesellschaft. ?Wir brauchen eine Gesellschaft, die Finanzinnovationen positiv gegen¨¹bersteht und sie nicht als Feind betrachtet?, sagt Shiller. ?Das ist jedoch schwierig und verlangt nach staatlichen Aufsichtsbeh?rden, die T?uschungsversuche ahnden.? Shiller hat oft beschrieben, wie der Finanzsektor in der Menschheitsgeschichte durch unterschiedliche Neuerungen zum Wohle der Gesellschaft beigetragen hat. Deshalb sucht er heute nach Wegen, um mithilfe des Finanzbereichs das enorme Problem der Ungleichheit, das in vielen L?ndern so gravierend zu Tage tritt, zu l?sen.
?Bei all seiner Arbeit speziell zu den Finanzm?rkten galt sein Interesse vorrangig dem Wohlergehen der Gesellschaft?, sagt Peter Dougherty, Shillers Verleger bei der Princeton University Press.
Wie l?sst sich Ungleichheit mit finanziellen Instrumenten bek?mpfen?
Wie l?sst sich Ungleichheit mit finanziellen Instrumenten bek?mpfen?
Sorgen macht sich Shiller vor allem dar¨¹ber, dass der technologische Fortschritt in der Zukunft unsere Arbeitspl?tze bedrohen und zu noch gr?sserer Ungleichheit f¨¹hren k?nnte. Um das zu illustrieren, f¨¹hrt er ein Beispiel des russisch-amerikanischen ?konomen und Nobelpreistr?gers Wassily Leontief?an. ?Nehmen wir zum Beispiel Pferde?, beginnt er. ?Fr¨¹her waren sie ¨¹berall. Wohin sind sie verschwunden? Ich kann Ihnen sagen, was aus ihnen geworden ist. Sie sind weggestorben, wir brauchen sie nicht mehr. Dasselbe k?nnte den Menschen passieren, die es nicht schaffen, mit der modernen Wirtschaft Schritt zu halten.?
Welche Bedrohung stellt das zweite Industriezeitalter dar?
Zukunftssichere Besch?ftigung f¨¹r das Zeitalter der Maschinen
Zukunftssichere Besch?ftigung f¨¹r das Zeitalter der Maschinen
Shiller kommt mit einem radikalen Vorschlag f¨¹r die sich abzeichnende Maschinen?ra daher: einer neuen Versicherungsform. Versicherungen gegen vorzeitigen Tod und Berufsunf?higkeit gibt es seit Jahrzehnten, doch die sind m?glicherweise nicht mehr angemessen in der Hightech-Welt der nahen Zukunft.
Die Gefahr, seine Arbeitsstelle an einen Computer zu verlieren, ist gr?sser als das Risiko, nach einem Autounfall oder aufgrund einer Behinderung nicht mehr arbeitsf?hig zu sein.
Shiller pl?diert daher f¨¹r eine ?nderung des Systems einschliesslich der Entwicklung neuer Finanzinstrumente wie beispielsweise einer Langfristversicherung gegen den Verlust des Arbeitsplatzes an einen Roboter. Er ist absolut ¨¹berzeugt davon, dass jetzt die Zeit ist, ¨¹ber die Zukunftsaussichten des zweiten Industriezeitalters zu sprechen. Doch er bef¨¹rchtet, dass sich die Menschen wom?glich viel mehr auf aktuelle Ereignisse konzentrieren, als ¨¹ber das Morgen nachzudenken. F¨¹r Shiller ist das auch ein Problem der Politik und der Politiker.
Blasen vorhersagen
Shiller ist sich dar¨¹ber im Klaren, dass er bisweilen wie ein Panikmacher klingt, doch das ist ihm egal. Schliesslich haben ihn seine Vorhersagen der Marktzusammenbr¨¹che ber¨¹hmt gemacht. W?hrend eines Interviews 2005 sagte er dem Reporter, dass sich die realen Immobilienpreise um die H?lfte verringern werden. ?Sp?ter an dem Tag rief er mich zur¨¹ck und sagte ?Ich werde Sie so zitieren?.? War sich Schiller dabei ganz sicher? ?Ich dachte kurz dar¨¹ber nach und sagte ihm ?Wissen Sie was, das glaube ich wirklich, also machen Sie nur?.? Shiller vermutet, dass wesentlich mehr ?konomen seine Meinung teilten, sich damit aber nicht an die ?ffentlichkeit trauten.
Die Vorstellung einer Immobilienblase wurde als unprofessionell abgestempelt. Die Blase durfte in den Zeitungen, aber nicht in akademischen Arbeiten erw?hnt werden.
Lassen sich Finanzblasen vorhersehen?
War diese Frage inspirierend f¨¹r Sie?
War diese Frage inspirierend f¨¹r Sie?
Dann lassen Sie sich die neusten Nobel Perspectives senden.
?Es spiegelt die Natur des Menschen wider?, sagt er. Wenn die Preise anziehen, geraten die Menschen in Aufregung. Einige steigen dann schnell ein und kaufen und die Preise steigen weiter. Das ist aber nicht nachhaltig. Irgendwann wird das Ganze platzen.?
Das ist seiner Meinung nach passiert, und er hat sich getraut, das auch in der ?ffentlichkeit zu sagen. Das klingt unheimlich mutig, doch Shiller hat eine gute Erkl?rung daf¨¹r. ?Es basiert auf einer Philosophie, die ich mir mit der Zeit angeeignet habe?, so Shiller. ?Moralisch gesehen ist es wichtig, Risiken einzugehen. Nat¨¹rlich k?nnte jemand einen dem¨¹tigen, indem er auf etwas hinweist, das man ¨¹bersehen hat, auf ein Gegenargument, aber man muss es trotzdem tun.?
Es ist beruhigend, dass ein Nobelpreistr?ger eingesteht, auch nicht immer richtig zu liegen, und es besteht kein Zweifel, dass Shiller das wirklich ernst meint.
?Bob wurde vor allem durch seine Neugier und Offenheit angetrieben?, sagte sein Kollege William Goetzmann. ?Anders als andere Leute in dem Berufszweig, die auf ihren langfristigen Ruf bedacht sind, habe ich beim ihm einfach nur Begeisterung wahrgenommen. Er hat sich nicht zu viele Gedanken um m?gliche Grenzen gemacht, sondern sich von seinem Interesse an der menschlichen Natur leiten lassen.?
Warum sollten L?nder bessere Wege finden, um zu wachsen?
Warum sollten L?nder bessere Wege finden, um zu wachsen?
H?ren Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie L?nder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen k?nnen.
Weitere Stories von Nobelpreistr?gern
War diese Frage inspirierend f¨¹r Sie?
War diese Frage inspirierend f¨¹r Sie?
Dann lassen Sie sich die neusten Nobel Perspectives senden.