?Die Wall Street steht auf den Schultern von Harry Markowitz?, soll sein Nobelpreiskollege Paul Samuelson?einmal gesagt haben. Ob er das nun wirklich so gesagt hat, bleibt offen, aber es stimmt. Markowitz hat die Wall Street zwar nicht erschaffen, aber er ist doch fast alleine verantwortlich f¨¹r die Wall Street, wie wir sie heute kennen.

Harry M. Markowitz

Harry M. Markowitz

Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften 1990 (gemeinsam mit Merton H. Miller und William F. Sharpe)

Auf einen Blick

Geboren: 1927, Chicago, Illinois, USA

Fachgebiet: Finanz?konomie

Ausgezeichnetes Werk: Pionierarbeit auf dem Gebiet der Portfoliomanagementtheorie f¨¹r individuelle Verm?gen

Seine drei Helden: John von Neumann, Leonard J. Savage und George Dantzig

Wozu er raten w¨¹rde: sich zu diversifizieren und fr¨¹h anzufangen

?ber die Kunst: ?Shakespeare ist f¨¹r die Literatur, was Bach f¨¹r die Musik ist?

Lebensmotto: ?Man kann einen Menschen nach seinen Freunden beurteilen?

?ber die Lehre: Erz?hle einen Witz nie zu Beginn der Vorlesung ¨C das ist stets zum Scheitern verurteilt

Die Revolutionierung der Finanzanlage

Als 24-j?hriger Student im Aufbaustudium an der University of Chicago schrieb Markowitz einen Artikel ¨¹ber Portfolioselektion, der ihm 1990 den Nobelpreis einbrachte. In den fast vier Jahrzehnten, die zwischen diesem Artikel und der Verleihung des Nobelpreises lagen, begr¨¹ndete Markowitz die Portfoliotheorie, beeinflusste die Art und Weise, wie die akademische Forschung das Thema Portfoliodiversifizierung behandelt, revolutionierte die Risikobewertung von Finanzanlagen, leitete ein Unternehmen, war als Berater f¨¹r andere t?tig und entwickelte die Programmiersprache SIMSCRIPT, und erhielt gleichzeitig viele andere Auszeichnungen und Anerkennungen.

?Ich bekam den Preis f¨¹r die Portfoliotheorie, die besagt, dass man, vereinfacht gesagt, nicht alles auf ein Pferd setzen sollte. Dabei muss man jedoch die langfristige Durchschnittsrendite gegen die Variabilit?t der Renditen abw?gen?, sagt er. ?Deshalb arbeitete ich an den mathematischen Strukturen hinter der Risiko/Rendite-Abw?gung.?

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Man sollte so viel diversifizieren, wie man m?chte, dabei aber die Risiken nicht aus den Augen verlieren

Nicht alles auf ein Pferd setzen

Aber bevor wir zu diesem Punkt kommen, gibt es noch eine Geschichte zu erz?hlen. In den fr¨¹hen 1950er Jahren wusste der junge Markowitz, dass nach der ?Theory of Investment Value? von John Burr Williams der erwartete Wert einer Aktie dem Gegenwartswert ihrer k¨¹nftigen Dividende entsprechen sollte. ?Also habe ich dar¨¹ber nachgedacht, dass Dividendenzahlungen ja mit Unsicherheiten behaftet sind, weshalb er wahrscheinlich einen erwarteten Wert oder einen Durchschnittswert meint?, sagt Markowitz. ?Sp?ter sagte er sogar, dass man durch eine ausreichende Diversifizierung das Risiko eliminieren und den Durchschnittswert erreichen kann. Nun ist es aber so, dass das Risiko zwar durch eine ausreichende Diversifizierung eliminiert werden kann, aber nur wenn die Risiken nicht korrelieren.?

Markowitz war zu Beginn der Weltwirtschaftskrise zwei Jahre alt und wurde alt genug, um auch die Folgen des Crashs von 2008 mitzuerleben. ?Jeder Idiot, vor allem derjenige, der die Weltwirtschaftskrise oder die B?rsencrashs miterlebt hat, ist wohl in der Lage zu erkennen, dass es korrelierende Risiken gibt und das Risiko deshalb nicht auf null sinkt?, sagt er. ?Aber die Theorie stimmte nicht mit der Praxis ¨¹berein.?

?Wall Street steht auf den Schultern von Harry Markowitz?

Der Aha-Moment

Als ihm die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis klar wurde, machte sich Markowitz daran, dies zu l?sen. Damit die Theorie mit der Praxis in Einklang stehen w¨¹rde, musste ein Weg gefunden werden, um die Ver?nderung der erwarteten Dividendenwerte mathematisch auszudr¨¹cken und die korrelierenden Risiken mit einzubeziehen. Dies veranlasste ihn dazu, in der Bibliothek die ?Introduction to Mathematical Probability? von J. V. Uspensky herauszunehmen, um nach den Varianten und Standardabweichungen gewichteter Summen zu suchen. ?Und das war der Aha-Moment?, sagt er. ?Die Volatilit?t des Portfolios h?ngt n?mlich nicht nur von der Volatilit?t seiner Bestandteile ab, sondern auch davon, wie weit sie sich gemeinsam nach oben und unten bewegen.?

Dieses Aha-Erlebnis f¨¹hrte ihn jedoch noch viel weiter und ¨¹ber den Bereich des Anlagemanagements hinaus. Wie sein langj?hriger Freund Martin Gruber es beschreibt, hatte die wissenschaftliche Arbeit von Markowitz ?einen enormen Einfluss auf die Wirtschaftswissenschaften, weil wir dadurch erkannten, dass man Dinge nicht isoliert betrachten kann, sondern dass man die Beziehungen zwischen ihnen betrachten muss. Ob wir nun ¨¹ber das Verh?ltnis des BIP in verschiedenen L?ndern sprechen oder zwei Aktienm?rkte im selben Land. Sie tendieren dazu, sich gemeinsam zu bewegen. Und der Grad ihrer gemeinsamen Bewegung bestimmt das Ausmass, bis zu dem man das Risiko verringern kann. Bis Harry Markowitz dies erkannte, hatte noch niemand auch nur dar¨¹ber nachgedacht.?

Was geh?rt zu einem kostenlosen Mittagessen und wie minimiert man die Risiken mit der sogenannten ?Efficient Frontier??

Ein Lebensziel: Spass zu haben

Es versteht sich von selbst, dass das Buch von Uspensky seinen Weg in ein ganz spezielles Regal im B¨¹ro von Markowitz fand, wo er auch das in Leder gebundene Exemplar seines eigenen 1959 ver?ffentlichten Buches aufbewahrt, neben anderen, die in seinem Leben irgendwie wichtig geworden sind. ?Ich wollte nie ein einfacher Gesch?ftsmann werden?, sagt er. ?Interessante Probleme zu bearbeiten, an denen man sich abarbeiten kann ¨C das ist die Hauptmahlzeit, wie Brot und Butter, Fleisch und Kartoffeln. Und die Aha-Erlebnisse, die sind das Dessert. Aber man kann sie nicht planen.
Sie kommen ganz pl?tzlich.?

Feier zum 25. Jahrestag seiner Nobelpreisverleihung

Auf der anderen Seite der Stadt, auf dem Campus der University of California, San Diego (UCSD), versammeln sich die G?ste, um die Ergebnisse eines besonderen Aha-Moments zu feiern: den 25. Jahrestag seiner Nobelpreisverleihung.

Wissenschaftler, Kollegen aus der Finanzbranche, Freunde und Familienangeh?rige aus der ganzen Welt reisten an, um das Leben und die Leistungen von Markowitz zu w¨¹rdigen. W¨¹rdevoll geniesst er die ganze Aufmerksamkeit und vergisst dabei nicht zu erw?hnen, dass er der Meinung ist, man kann einen Menschen anhand seiner Freunde erkennen, weshalb er sich sehr gl¨¹cklich sch?tze.
Seine Freunde und Lieben um ihn herum sind ihm des Preises genug. Der Nobelpreistr?ger unterh?lt sich mit den G?sten ¨¹ber Themen, die wenig mit der Portfolioauswahl zu tun haben, und zieht sie mit seinem breit gef?cherten Intellekt, seinem Wissen und seiner Neugier in seinen Bann. Und all dies mit fast 90 Jahren!

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Das Beste von Harry Markowitz zum Schluss

?Er ist mit 88 noch genauso brillant wie mit 62?, sagt John Guerard, ein Gast und ehemaliger Kollege.

?Als Kind war ich ein junger Besserwisser?, entgegnet Markowitz. ?Jetzt bin ich ein alter Besserwisser. Und der einzige Unterschied zwischen heute und damals ist, dass ich viele, viele Jahre Zeit hatte, um ein kluges j¨¹ngeres Kind, ein kluges ?lteres Kind und ein kluger alter Mann zu sein.?

Einen neuen Berufsstand schaffen

Als wir uns verabschieden, erz?hlt er uns noch eine letzte Geschichte. ?Wenn die Leute sich so ¨¹ber meinen Nobelpreis auslassen, erz?hle ich ihnen gern, dass ich den Nobelpreis nicht als die gr?sste Ehre empfunden habe. Die gr?sste Ehre ist mir auf der Herrentoilette eines grossen Hotels in Washington DC widerfahren, nach dem Abendessen, irgendwann zwischen Weihnachten und Silvester 1990.? Auf Einladung der American Finance Association hatte Markowitz zusammen mit seinen Nobelpreiskollegen?William Sharpe?und Merton Miller?eines Abends einen kurzen Vortrag gehalten und besuchte im Anschluss daran die Herrentoilette. Da t?nte es aus der Kabine neben ihm:

?Vielen Dank Dr. Markowitz daf¨¹r, dass sie den Berufsstand geschaffen haben, mit dem wir alle hier unser Geld verdienen.? Und das ist noch besser, als einen Nobelpreis zu erhalten.

Warum sollten L?nder bessere Wege finden, um zu wachsen?

H?ren Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie L?nder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen k?nnen.

Was bedeutet die wissenschaftliche Arbeit von Markowitz f¨¹r uns?

?Wenn man eines von der Arbeit in den Finanzm?rkten lernen kann, dass ist es, dass Risiken und Unsicherheiten wesentlicher Bestandteil des Leben sind.?

Paul Donovan?
Global Chief Economist
ÃÛ¶¹ÊÓÆµ Wealth Management

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