Elinor Ostrom war die erste Frau, die den Nobelpreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. In ihrer intensiven?Feldforschung konzentrierte sich Ostrom auf die Frage, wie Menschen mit ?kosystemen wie W?ldern, Fischbest?nden und Bew?sserungssystemen interagieren. Damit stellt sie die konventionelle Auffassung in Frage, dass Menschen nicht in der Lage seien, nat¨¹rliche Ressourcen erfolgreich zu verwalten, ohne dass diese reguliert oder privatisiert werden. Sie war der Ansicht, dass Menschen sehr gut in der Lage sind, die Kontrolle ¨¹ber die Entscheidungen, die ihr Leben beeinflussen, zu ¨¹bernehmen, so wie sie es selbst auch als junge Frau bewiesen hatte, die sich in der noch von M?nnern dominierten Arbeits- und Universit?tswelt der 1950er Jahre durchzusetzen versuchte.

Elinor Ostrom

Elinor Ostrom

Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften 2009

Auf einen Blick

Geboren: 1933, Los Angeles, Kalifornien, USA

Gestorben: 2012, Bloomington, Indiana, USA

Fachgebiet: Staats?konomie, ?konomische Verwaltung

Preis: Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften 2009 (gemeinsam mit Oliver E. Williamson)

Ausgezeichnetes Werk: Analyse der ?konomischen Verwaltung, insbesondere bei gemeinschaftlichem Eigentum

Unbekannte Talente: Zeichnete die meisten Entw¨¹rfe f¨¹r den Bau ihres Ranchhauses selbst

Lektionen, die man aus dem Stottern lernen kann

Ostrom kam aus einfachen Verh?ltnissen. Vor allem w?hrend der Weltwirtschaftskrise war das Geld knapp. Selbst als ?ltere Frau erinnerte sie sich noch daran, wie sehr ihre Eltern sich anstrengen mussten, um den Lebensunterhalt zu sichern. Auch dass sie zu den wenigen Kindern geh?rte, die eine Schule f¨¹r die Kinder der Reichen Beverly Hills besuchte, pr?gte ihre Kindheit. ?Es gab Zeiten, in denen ich sehr darunter gelitten habe?, erinnerte sie sich. ?Und zu allem ?berfluss stotterte ich auch noch.? Trotzdem wurde sie dazu ermutigt, dem Debattierclub beizutreten und machte sich gut. So lernte sie bereits fr¨¹h im Leben eine wichtige Lektion: wie man gut argumentiert.

Wie wird man die erste Frau, die einen Nobelpreis gewinnt

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Als junge Frau in den 1940er Jahren wuchs Ostrom in einer ganz anderen Welt auf. W?hrend des Krieges wurde von ihr erwartet, dass sie Schals f¨¹r die Soldaten strickt, die auf der anderen Seite des Atlantiks im Einsatz waren. Zu einem Universit?tsbesuch wurde sie von ihrer Familie nicht ermutigt. Ihre Mutter hatte zwar daf¨¹r gesorgt, dass sie die High School besuchen konnte, erwartete aber von ihr, dass sie sich nach dem Schulabschluss eine Arbeit sucht. ?Niemand in meiner Familie hatte je eine Universit?t besucht?, erinnerte sich Ostrom in ihrer Autobiographie, die nach der Nobelpreisverleihung erschien. ?Meine Mutter sah keinen Grund, warum sie mich unterst¨¹tzen sollte.? Aber sie arbeitete sich ihren Weg durchs Studium und machte ihren Abschluss ?mit acht Dollar auf der Bank?.

Als Frau in den 1950er Jahren Karriere machen

Doch es warteten noch weitere Herausforderungen auf sie. Als sie eine Stelle suchte, wurde sie von zuk¨¹nftigen Arbeitgebern gefragt, ob sie an der Hochschule Stenografie und Schreibmaschine gelernt habe. Das hatte sie nicht. ?Ich wollte eine richtige Stelle haben?, erinnerte sich Ostrom. ?Ich wollte nicht f¨¹r den Rest meines Lebens als Sekret?rin arbeiten.? Aber damals geh?rte es sich nicht f¨¹r eine Frau, nach mehr zu streben. Ostrom k¨¹mmerte sich nicht um Konventionen und schliesslich fand sie eine Anstellung in einer Firma, ?die nie zuvor eine Frau f¨¹r eine andere Position als die einer Sekret?rin angestellt hatte?. So war es ihr offensichtlich bereits in ihren fr¨¹hen Zwanzigern gelungen, ein sehr gutes Argument zu pr?sentieren. Die Anstellung als stellvertretende Personalleiterin war jedoch nur der erste Schritt in ihrer beruflichen Laufbahn.

Ostrom hatte im letzten Jahr ihres Grundstudiums ihre ersten Wirtschaftsvorlesungen besucht. Das Thema gefiel ihr so sehr, dass sie nun ¨¹berlegte, ob sie sich f¨¹r eine Doktorandenstelle bewerben sollte. Die Universit?t von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) bot jedoch damals ein sehr feindseliges Umfeld. ?In der Fakult?t sperrten sich viele dagegen, Frauen in das Programm aufzunehmen. Sie sagten einfach nein?, und begr¨¹ndeten das zum Teil damit, das Ostrom am College keinerlei Mathematikkurse belegt und an der High School keinen Unterricht in Trigonometrie hatte. Die Abteilung der Politikwissenschaften war ebenfalls sehr skeptisch in Bezug auf die Zulassung von Frauen, gab ihr aber eine Chance. In ihrer Zeit als Doktorandin traf Ostrom auf Vincent, der sowohl ihr zweiter Ehemann werden sollte als auch ihr Partner in beruflicher Hinsicht. Ostrom war noch Doktorandin, als sie sich zum ersten Mal mit der Frage besch?ftigte, wie gemeinschaftliches Eigentum verwaltet werden sollte. Ihre Forschung sowie ihre?Feldforschung zu diesem Thema sollten vier Jahrzehnte sp?ter dazu f¨¹hren, dass ihr der Nobelpreis verliehen wurde.

K?nnen Menschen die Ressource Wasser selbst?ndig verwalten?

Ist den Menschen das Gemeinwohl wichtig?

Im Jahr 1833 ver?ffentlichte der viktorianische Wirtschaftswissenschaftler William Forster Lloyd einen Aufsatz, in dem er das sp?ter als ?Trag?die des Allgemeinguts? bekannt gewordene Modell beschrieb. Lloyd war der Ansicht, dass ?kologische Gemeing¨¹ter ¨C nat¨¹rliche Ressourcen, die sich nicht in Privatbesitz befinden, sondern allen zug?nglich sind und kollektiv genutzt werden ¨C auf lange Sicht zerst?rt w¨¹rden, weil die einzelnen Nutzer lediglich in ihrem eigenen Interesse handelten und sich nicht um das Gemeinwohl aller k¨¹mmerten.

130 Jahre sp?ter gingen die meisten Wirtschaftswissenschaftler immer noch davon aus, dass diese These richtig sei. Sie nahmen einfach an, ?dass Menschen sich nicht selbst organisieren k?nnen. Dass sie einfach nicht dazu in der Lage seien?, erkl?rte Ostrom. Das f¨¹hrte zu der Schlussfolgerung, dass man entweder staatliche Regelungen oder private Eigent¨¹mer braucht. Ostrom wollte diese Annahme auf die Probe stellen und begann, eine Vielzahl von Fallstudien zu sammeln, um mehr dar¨¹ber herauszufinden, wie Mensch und ?kosysteme interagieren. ?Sie zog Inspiration daraus, die Welt zu beobachten, sich mit den Problemen konkret zu befassen, statt nur in der Theorie?, erkl?rt Robert Johnson von der Columbia University.

Ostrom zog Inspiration daraus, die Welt zu beobachten, sich mit den Problemen konkret zu befassen, statt nur in der Theorie.

Warum man mit den Menschen sprechen muss

Gemeinsam mit ihrem Ehemann gr¨¹ndete Ostrom den Lehrstuhl f¨¹r Politische Theorie und Politikanalyse an der Indiana University. Beiden war es wichtig, ihre Arbeit mit Wissenschaftlern aus anderen Disziplinen zu diskutieren und ihre Feldstudien gemeinsam mit Wissenschaftlern aus verschiedenen L?ndern durchzuf¨¹hren.

Das war nicht leicht, da es so vielen meiner Kollegen im Bereich Politikwissenschaften gar nicht gefiel, war wir da machten. Viele von ihnen sprachen mit der Legislative, mit B¨¹rgermeistern und Parlamentariern. Sie fanden es merkw¨¹rdig, dass wir uns f¨¹r Landwirte, Bauern und Menschen, die mit der Verwaltung von Wasser zu tun hatten, interessierten.

Aber das war es wert. Ostrom fand heraus, dass kleine, lokale Gemeinschaften sehr wohl in der Lage waren, gemeinsame nat¨¹rliche Ressourcen wie Fischgr¨¹nde oder W?lder zu verwalten und dass ¨¹ber die Zeit selbst Regeln aufgestellt wurden, die daf¨¹r sorgen, dass die Ressourcen auch langfristig zur Verf¨¹gung stehen. Es ist also gar nicht notwendig, dass der Staat hier eingreift oder die Ressourcen privatisiert werden. In ihrer Arbeit konnte Ostrom beweisen, dass die gemeinsame Verwaltung von Ressourcen effektiv ist und dass Menschen in der Lage sind, die Verantwortung f¨¹r Entscheidungen zu ¨¹bernehmen, die ihr Leben betreffen.

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Warum?Feldforschung f¨¹r den Erfolg so wichtig ist

Wie sollten wir unsere Gesellschaft organisieren?

?Das ermutigt die Menschen, die sich mehr lokale statt globaler Kontrolle von oben w¨¹nschen?, erkl?rt Johnson, der Ostrom 2012 auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt des TIME Magazines setzte. ?Wenn sich Menschen selbst verwalten, kann das eine sehr gesunde und positive Art sein, die Gesellschaft zu organisieren?, denkt Johnson und betont, wie wichtig Ostroms Arbeit f¨¹r diese Erkenntnis war.

Ostrom beschrieb acht Gestaltungsprinzipien, die sich auf den Erfolg von selbstorganisierten Verwaltungssystemen auswirken, darunter kollektive Entscheidungen, Mechanismen zur Konfliktl?sung und die Anerkennung der Selbstbestimmung einer Gemeinschaft durch die Beh?rden. Diese Prinzipien sind auch heute noch g¨¹ltig und werden als Rahmen f¨¹r die Weiterentwicklung der Theorie zur Nutzung gemeinschaftlicher Ressourcen verwendet. Wie Ostrom einst anmerkte:

Ich glaube, wir haben einen viel gr?sseren Respekt in Bezug auf den Einfallsreichtum der Menschen gewonnen. Menschen k?nnen verschiedenste L?sungen finden, um Herausforderungen zu begegnen und Probleme zu l?sen.

Warum die Kontrolle von oben nicht funktioniert

In ihrer wissenschaftlichen Arbeit befasste sich Ostrom mit einem Thema, das f¨¹r die Zukunft der menschlichen Spezies nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist: Wie k?nnen wir die Umwelt sch¨¹tzen? Sie k?mpfte gegen Kontrollen, die von oben nach unten eingesetzt werden, und erkl?rte die grosse Bedeutung von Einzelpersonen und Gemeinschaften f¨¹r das Aufhalten des Klimawandels. Sie war sich bewusst, dass es auch globale Absprachen geben muss, sah aber trotzdem die Notwendigkeit, die Menschen ausserhalb der Regierungen wirklich mit einzubeziehen. In ihrem Konzept der ?Polyzentrik? empfahl sie, dass lokalen Gemeinschaften die Autorit?t gew?hrt wird, die Nutzung gemeinsamer Ressourcen eigenst?ndig zu verwalten.

?Ich werde nicht die letzte sein.?

Auch im Jahr 2017 sind Frauen noch immer dramatisch unterrepr?sentiert, wenn man sich die Nobelpreistr?ger f¨¹r Chemie, Physik, Medizin und Wirtschaftswissenschaften ansieht (insgesamt sind darunter nur 18 Frauen). Johnson beobachtet jedoch einen Wandel und findet die Ver?nderungsrate gesund: ?Es bleibt weiterhin herausfordernd, aber mittlerweile wird erkannt, wie wichtig Frauen f¨¹r die Wissenschaften sind?, erkl?rt er.

Auch wenn es bisher noch keine weitere Nobelpreistr?gerin im Bereich von Ostrom gab, ?usserte sie sich in Bezug auf die zuk¨¹nftige Entwicklung sehr optimistisch. In der Pressekonferenz anl?sslich der Verleihung des Nobelpreises an sie, erkl?rte Ostrom:

Eine neue ?ra hat bereits begonnen. Wir haben anerkannt, dass Frauen in der Lage sind, herausragende wissenschaftliche Arbeiten zu liefern. Ich f¨¹hle mich geehrt, die erste Frau zu sein, aber ich werde nicht die letzte sein.

Warum sollten L?nder bessere Wege finden, um zu wachsen?

H?ren Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie L?nder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen k?nnen.

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