Paul Krugman braucht man eigentlich nicht vorzustellen. Er ist wahrscheinlich der ber¨¹hmteste noch lebende Wirtschaftswissenschaftler und zudem ein bekannter politischer Berater, Kolumnist und Blogger f¨¹r die New York Times. Seine zukunftsweisenden Forschungen haben die Art und Weise revolutioniert, wie wir ¨¹ber internationalen Handel und Industriestandorte denken. Zun?chst erhielt er f¨¹r seine Arbeit die John-Bates-Clark-Medaille, die j?hrlich an einen US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler unter 40 Jahren verliehen wird. Wann er den Nobelpreis gewinnen w¨¹rde, war lediglich eine Frage der Zeit.

Paul R. Krugman

Paul R. Krugman

Alfred-Nobel-Ged?chtnispreis f¨¹r Wirtschaftswissenschaften, 2008

Auf einen Blick

Geburtsjahr: 1953, New York, USA

Forschungsgebiet: Internationale und regionale ?konomie

Ausgezeichnetes Werk: Analyse der Handelsmuster und Standorte wirtschaftlicher Aktivit?ten

Musikliebhaber: M?glicherweise der einzige Konzertbesucher in Brooklyn ohne M?nnerdutt

Was ihn verunsichert: Auf der Strasse erkannt zu werden

Eine lebende Legende mit einem ?bermass an Energie

Fr¨¹h am Morgen beschreitet Krugman den Korridor des CUNY Graduate Center. Sein Schritt ist fest und energiegeladen, sein Ausdruck fokussiert, ohne jegliche Spur der M¨¹digkeit eines Vielreisenden. Mit sanfter Stimme f¨¹hrt Krugman uns zur¨¹ckhaltend, aber offen durch seinen Terminkalender. Gerade zur¨¹ck von einer Beratungsreise im Ausland, bereitet er sich nun auf eine Konferenz ¨¹ber Ungleichheit am n?chsten Tag vor.

Eine kritische Stimme, der Millionen zuh?ren

?Jeder, der sich mit internationaler ?konomie besch?ftigt und dabei sowohl Analyse als auch Politik im Blick behalten will, ben?tigt f¨¹r bestimmte Dimensionen eigentlich ¨¹bermenschliche F?higkeiten?, sagt Krugman in seinem leicht sarkastischen New Yorker Tonfall. Der Wirtschaftswissenschaftler erinnert sich an seine Studienzeit und verr?t, dass sein Spiritus Rector und Mentor, der Wirtschaftswissenschaftler Rudi Dornbusch, mit nur drei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht auskam. Krugman gibt zu, dass er hingegen ausreichend Schlaf ben?tigt, aber seine eigene Strategie verfolgt, um ganz vorne dabei bleiben zu k?nnen. ?Ich bin sehr, sehr schnell und gut organisiert beim Verfassen von Texten.?

Millionen von Lesern kennen Krugman aus seinen kritischen Kolumnen in der New York Times, die ihm den Beinamen ?Die Stimme der Linken? einbrachten. In seinem minimalistischen Schreibstil erkl?rt Krugman komplexe wirtschaftliche Konzepte und macht sie f¨¹r eine breit gef?cherte Leserschaft verst?ndlich, in der nicht unbedingt jeder einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften hat. Seine Worte, die zur Kr?nung ?einer der besten Zeitungen der Welt? geh?ren, erreichen eine riesige internationale Leserschaft.

Der Cheferkl?rer

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Die herrschenden Eliten unter Beschuss

In seinen Meinungskolumnen besch?ftigt Krugman sich kritisch mit den herrschenden Eliten, dem einen Prozent und den Leugnern des Klimawandels. Er stellt die Standpunkte in Frage, die gemeinhin in akademischen und journalistischen Texten ¨¹bernommen werden.

G?ngige Meinungen sind h?ufig nicht wissenschaftlich belegbar. Und fragt man nach, wo diese g?ngigen Meinungen herstammen, zeigen sich dahinter oft die Pr?ferenzen und Interessen der Eliten.

Der Nobelpreistr?ger verdeutlicht dies, indem er den Gegensatz zwischen den Pr?ferenzen der Eliten und denen der Massen aufzeigt. ?Die breite ?ffentlichkeit w¨¹nscht sich eine St?rkung des Wohlfahrtsstaats und der Sozialversicherungsprogramme und keine Einsparungen?, sagt er. ?Die Elite m?chte Einsparungen erzielen. Da fragt man sich doch, woher kommt die g?ngige Meinung? Angeblich ist also das Staatsdefizit ein schreckliches Problem und wir m¨¹ssen die Wohlfahrtsprogramme k¨¹rzen.?

Seiner Meinung nach entwickeln die Menschen ein Verst?ndnis f¨¹r den Status Quo ¨C nicht, weil er dem W?hlerwillen entspricht, sondern weil er die Interessen der Eliten abbildet.

Gibt es eine Politik, die allen gerecht wird?

?konomen streiten sich seit jeher dar¨¹ber, ob Staaten lieber sparen sollten oder ihr Defizit erh?hen d¨¹rfen, und Krugman veranschaulicht dies an einem Beispiel. ?Frankreich hat sich sehr darum bem¨¹ht, sein Haushaltsdefizit zu reduzieren, und dabei fast etwas ¨¹bertrieben?, sagt er. Frankreich steht heute da, wo es steht, und hat die Politik, die es hat, indem es versucht hat, die Besteuerung der Reichen zu erh?hen, statt die Ausgaben f¨¹r Sozialprogramme zu senken. Und es gibt viele Leute in der Europ?ischen Kommission, die sagen ?Also so hatten wir das nicht gemeint mit den Sparmassnahmen.? Damit war klar, wo der Hase im Pfeffer liegt. Wenn jemand zu Ihnen sagt, dass es ?nur eine Sparpolitik ist, wenn die Armen darunter leiden?, dann versteht man, worum es hier wirklich geht.

Wann ist die Sparpolitik unser Freund und wann unser Gegner?

Was hat Paul Krugman beeinflusst?

Je l?nger wir mit ihm ¨¹ber seine preisgekr?nten Arbeiten sprechen, desto mehr kristallisiert sich heraus, was den Wirtschaftsnobelpreistr?ger des Jahres 2008 ausmacht. So begann er zum Beispiel am MIT, wo er 1977 promovierte und Professor wurde, mit der Entwicklung solider Wirtschaftsmodelle. Im Zusammenspiel mit seinem Talent als Autor klarer und pr?gnanter Text macht dies Krugman aus. Er denkt auch, dass sein Ansatz in der ?konomie besonders durch den Schmelztiegel New York mit den vielen migrantischen Einfl¨¹ssen gepr?gt wurde.

Krugman h?lt seine berufliche Laufbahn f¨¹r das Ergebnis gl¨¹cklicher Zuf?lle, da er zur rechten Zeit am rechten Ort war. Eine sehr bescheidene Aussage, wenn man mal bedenkt, dass er zur rechten Zeit und am rechten Ort sehr bedeutende Arbeiten verfasst hat. Nehmen wir als Beispiel seine T?tigkeit f¨¹r die US-Regierung.

Die Leute sind immer total schockiert, wenn sie h?ren, dass ich einmal unter Reagan gearbeitet habe.

Er war 29 Jahre alt, als er neben dem emeritierten Pr?sidenten der Harvard University, Larry Summers, der leitender ?konomischer Berater f¨¹r den Binnenmarkt war, zum leitenden ?konomischen Berater f¨¹r internationale Wirtschaft bestellt wurde. Als Anh?nger der Demokraten in einer Regierung der Republikaner sah der junge Wirtschaftswissenschaftler diese Aufgabe als Chance, ein tieferes Verst?ndnis f¨¹r die Funktionsweise der Wirtschaft und der Regierung zu gewinnen.

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Eine neue Handelstheorie f¨¹r den internationalen Handel

In den Arbeiten von Krugman werden Substanz und Stil auf einzigartige Art und Weise verm?hlt. Er entwickelte eine Theorie, die auf den Einblicken eines einzigen Falls basierte, statt sich auf breite Verallgemeinerungen zu st¨¹tzen. Er verwendete das einfachste Modell, das es gab, um die Essenz der Theorie zu destillieren. Inhaltlich konzentriert er sich auf die Idee der Ertragssteigerung im internationalen Handel und st¨¹tzt sich dabei auf die Werke seiner Vorg?nger, der grossen ?konomen Adam Smith und David Ricardo.

?Wenn ich ¨¹ber den Zustand der internationalen Handelstheorie vor etwa 1980 nachdenke, f?llt mir ein alter Witz ein, ¨¹ber einen Betrunkenen, der seine Schl¨¹ssel verloren hat und sie unter der Laterne sucht?, sagt er. ?Ein Passant kommt vorbei und fragt: ?Haben Sie Ihre Schl¨¹ssel hier verloren?? Woraufhin er erwidert: ?Nein, ich habe den Schl¨¹ssel in der kleinen Gasse dahinten verloren, aber hier kann ich besser suchen, weil es heller ist.??

?In den ?lteren Theorien ging man davon aus, dass es einen perfekten Wettbewerb gibt?, f?hrt er fort. ?Die Vorteile der Serienproduktion wurden einfach ignoriert. Das lag wohl daran, dass man wusste, wie man das modelliert und analysiert. Da war die ?konomie noch einfach.?

Wenn die Modellierung von Handel und Geographien einfach wird

Fast alle Wirtschaftswissenschaftler vermieden es, sich mit der komplizierten Modellierung steigender Ertr?ge zu befassen, wozu auch die M?glichkeit mehrerer Gleichgewichte geh?rt sowie die Umwandlung eines statischen Modells in ein dynamisches. Wenn er ¨¹ber seine wegweisenden Arbeiten spricht, macht der ?konom nicht viel Aufhebens davon. ?Die Arbeit von mir, f¨¹r die ich den Preis erhalten habe, sollte vor allem eine Schnittmenge zwischen neu verf¨¹gbaren Analysewerkzeugen und den entsprechenden Problemen der realen Welt finden?, sagt er. ?Ich habe mich nicht auf ein Problem konzentriert und dann versucht, einen L?sungsweg zu finden. Ich habe eigentlich mit dem Werkzeug begonnen und dann herausgefunden, auf welche Probleme es anwendbar ist.?

Der Umgang mit einem Problem der realen Welt: der Ungleichheit

Krugman besch?ftigte sich mit der Frage, wie Ungleichheit reduziert werden kann, und ging als intellektueller Zivilist an diese Problemstellung heran, statt die Frage von einer rein akademischen Warte aus zu betrachten. ?Es gibt Dinge, von denen wissen wir, dass wir sie machen k?nnen, und andere, von denen wir denken, dass wir sie nicht machen k?nnen?, sagt er. ?Dabei sollten wir alles machen. Umverteilung, Steuern und Transfers, ein garantiertes Grundeinkommen in irgendeiner Form f¨¹r die weniger Beg¨¹terten, das durch die Steuern der Beg¨¹terten finanziert wird. Wir k?nnen das alles machen. Wir sind uns dessen bewusst, dass man viel mehr machen k?nnte und es gibt keinen Beweis daf¨¹r, dass L?nder, die mehr machen, daf¨¹r hohe Kosten zahlen.?

K?nnen wir die Politik so gestalten, dass das Leben der Menschen verbessert wird?

Auch wenn es kein Allheilmittel f¨¹r die Probleme der Welt gibt, k?nnen Krugmans Meinung nach viele Probleme, mit denen die Welt konfrontiert ist, mit den geeigneten wirtschaftlichen Instrumenten und L?sungen angegangen werden. Was jedoch fehlt, ist der politische Wille. So betrachtet Krugman auch den Klimawandel, der seiner Meinung nach die gr?sste Herausforderung darstellt.

Warum sprechen wir eigentlich ¨¹berhaupt noch ¨¹ber etwas anderes als den Klimawandel? Das Problem ist, dass wir zum einen die Leugner haben und zum anderen das Problem, welches Land die Last tr?gt. Davon wird alles andere dominiert.

Als ?konom erz?hlt man Geschichten

Ob f¨¹r ein akademisches Publikum oder die breite ?ffentlichkeit, bei Krugman geht es immer darum, eine Geschichte zu erz?hlen. Fr¨¹h in seiner Kindheit und Jugend interessierte er sich leidenschaftlich f¨¹r Geschichte und Science-Fiction-Romane. Daraus ergab sich der Wunsch, Geschichten ¨¹ber Menschen zu erz?hlen, dar¨¹ber, wie sie?miteinander umgehen und was sich daraus ergibt.

Die ?konomie ist eine Sozialwissenschaft, weil es darum geht, was Menschen tun und zu welchen Ergebnissen dies f¨¹hrt. Deshalb erz?hlt man als ?konom eine Geschichte ¨C in unseren Narrativen geht es immer um Menschen, wenn auch in sehr stilisierter Form.

Warum sollten L?nder bessere Wege finden, um zu wachsen?

H?ren Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie L?nder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen k?nnen.

?F¨¹r heutige Anleger ist besonders interessant an der Arbeit von Krugman, dass er eine m?gliche Abl?sung der Handelsmuster und industriellen Cluster best?tigt.?

Paul Donovan?
Global Chief Economist
ÃÛ¶¹ÊÓÆµ Wealth Management

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