Nur mit China k?nnen wir Net Zero erreichen. Westliche Investoren mssen deshalb ideologische Differenzen beiseiteschieben und versuchen, China in seinem gesamten Kontext zu verstehen, argumentiert Lucy Thomas.

Zun?chst eine Analogie. Das Konzept der ?bergangsinvestitionen hat in den letzten Jahren an Popularit?t gewonnen. Strategien fr den Klimawandel enthalten in der Regel zwei Anlageformen: L?sungsanbieter und Verbesserer. Zu letzteren geh?ren oft Unternehmen, die aus Net-Zero-Perspektive noch nicht nachhaltig sind.

Solche Investitionen werden in der Annahme get?tigt, dass sie sich verbessern werden und weil sie fr die Abkehr von fossilen Brennstoffen entscheidend sind. Schlie?lich ist die Dekarbonisierung des eigenen Portfolios nicht dasselbe wie die Dekarbonisierung der Wirtschaft - und auch wenn man durch die Ver?u?erung sein Gewissen beruhigen kann, ist es unwahrscheinlich, dass dies zum ?kologischen Wandel der Weltwirtschaft beitr?gt.

Der Klimawandel stellt fr Anleger ein systemisches Risiko dar, das nicht durch ein Portfolio allein bew?ltigt werden kann. Stattdessen ist eine Dekarbonisierung der ganzen Welt erforderlich.

Das bedeutet, dass alle L?nder und Regionen der Welt Net Zero erreichen mssen.

Kapitalallokatoren mssen daher betrachten, wie ihre globalen Investitionsentscheidungen die Emissionsentwicklung in der Realwirtschaft beeinflussen, auch wenn sie die positiven oder negativen Auswirkungen auf ihre Portfolios und knftige Renditen dieses Vorhabens bercksichtigen. Natrlich mssen Unternehmen und politische Entscheidungstr?ger in China ihren Teil dazu beitragen, aber auch die Investoren mssen mit ihrem Kapital sprechen, ihre Ansichten ber Chinas Rolle auf dem Weg zum Net-Zero-Emissionshandel verdeutlichen und mit den Investitionsentscheidungen in ihren Portfolios Fortschritte untersttzen.

Werfen wir einen Blick auf die Fakten.

Diagrammbeschreibung: Das Diagramm ist eine visuelle Darstellung des kumulativen Beitrags dieser L?nder zum CO2-Aussto? im angegebenen Zeitraum und zeigt ihre unterschiedlichen Emissionen aus fossilen Energietr?gern und industriellen Quellen auf.

Diagrammbeschreibung: Dieses Kurvendiagramm veranschaulicht den Pro-Kopf-Aussto? von Kohlendioxid aus fossilen Energietr?gern und der Industrie in fnf L?ndern C China, USA, Japan, Deutschland und dem Vereinigten K?nigreich. Obwohl im gesamten Zeitverlauf eine Zunahme der CO2-Emissionen zu beobachten ist, lassen sich rapide Anstiege zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert erkennen, wobei der h?chste Verbrauch an fossilen Energietr?gern auf die Vereinigten Staaten entf?llt.

Diagrammbeschreibung: Dieses Diagramm zeigt den steigenden Anteil der chinesischen Sachgterproduktion an der Deckung der Export- und Binnennachfrage. Die zunehmende Nachfrage an diesen beiden M?rkten hat einen Einfluss auf die Gesamtwertsch?pfung im verarbeitenden Gewerbe. Fr 2020 ist ein Allzeithoch dieser Produktionst?tigkeit zu verzeichnen, 1996 hingegen ein Allzeittief.

Auf der Suche nach einem Weg in die Zukunft

Chinas Pr?sident Xi Jinping hat sich dazu verpflichtet, bis 2060 Net Zero zu erreichen. Vielleicht noch wichtiger ist jedoch, dass China sich auch zur Aufgabe gemacht hat, bis 2030 den H?chstwert seiner CO?-Emissionen zu erreichen, da diese weiterhin stetig ansteigen C wobei ein krzlich ver?ffentlichter Bericht von Carbon Brief diesbezglich hoffnungsvoll stimmt.1 Dies unterstreicht das Ausma? der kurzfristigen Klimaschutzverpflichtungen, die das Land eingeht und die angesichts des Ziels fr 2060 vielleicht nicht offensichtlich erscheinen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben lokale Regierungen Ans?tze zur Dekarbonisierung entwickelt, die sowohl kurzfristig (z. B. preisbasierte Marktmechanismen, grne Anleihen) als auch langfristig (z. B. F&E im Bereich der Klimatechnologie) angelegt sind. In Schlsselsektoren wie Verkehr und Energie, aber auch in st?rrischen Sektoren wie der industriellen Fertigung werden Fortschritte erzielt. Diese Entwicklungen wirken sich auf die globalen M?rkte aus.

Es wird viel ber die anhaltende Abh?ngigkeit von Kohle in der chinesischen Energieversorgung gesprochen. Angesichts der Spitzenlastkapazit?ten, der Stromausf?lle im Inland und der zunehmenden Sorge um die Energiesicherheit scheint China einen pragmatischen Ansatz zu verfolgen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Doch das langfristige Ziel der Kohlenstoffneutralit?t bleibt klar. Die heikle Gratwanderung besteht darin, die Zwischenziele zu erreichen; schlie?lich interessieren sich klimatische und ?kologische Kipppunkte nicht fr innenpolitische Herausforderungen und geopolitische Ausreden.

In den meisten F?llen wrden marktbasierte Instrumente eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung spielen. In China ist das ein wenig anders. Sein Emissionshandelssystem (ETS) steckt noch in den Kinderschuhen, zum Teil weil China weniger an kurzfristigen Ma?nahmen wie preisbasierten Marktmechanismen interessiert ist. Stattdessen ist das Land auf Langfristigkeit bedacht; die staatliche ?bergangspolitik hat die Grundstoffindustrie bereits dazu veranlasst, in F&E zu investieren, darunter auch ?bergangstechnologien, die noch nicht wirtschaftlich sind (z. B. CCS, Wasserstoff).

In vielerlei Hinsicht haben in China Energiesicherheit und damit die Entwicklung von Dekarbonisierungstechnologien gegenber dem Kohleausstieg Vorrang. Der Bau hocheffizienter Kohlekraftwerke soll dem Land helfen, den Spitzenemissionswert zu erreichen, indem alte Kraftwerke ersetzt werden, doch das geschieht nicht schnell genug. Hierbei handelt es sich um eine riskante Strategie, aber eine vollst?ndige Abkehr von der Kohle hat keine Priorit?t.

Ein Vorreiter bei erneuerbaren und sauberen Energien

Ein positiver Aspekt ist, dass Chinas Vorreiterrolle bei umweltfreundlichen Technologien weltbekannt ist. Auch wenn einige der zugrundeliegenden Motive kommerzieller und geopolitischer Natur sein m?gen, so spiegelt sich darin doch ein strategisches Engagement fr die Dekarbonisierung wider.

Chinas Erfolg in diesem Bereich ist unbestreitbar. Nachdem China 80 % der Lieferkette fr Solarpaneele? erobert hat und krzlich zum weltweit gr??ten Hersteller von Elektrofahrzeugen? aufgestiegen ist, blickt ein Gro?teil der Welt neidisch auf das Land. Man versucht krampfhaft, entweder nachzuziehen oder zumindest fr die Diversifizierung der globalen Versorgung mit erneuerbaren Energien zu sorgen. In der Zwischenzeit hat China die Deflation im Bereich der erneuerbaren Energien in andere Teile der Welt exportiert, indem es die Kosten fr seltene Erden gedrckt hat. Die Preise sind auf den niedrigsten Stand seit Ende 2020 gesunken, da die schwache Nachfrage von Unternehmen der grnen Energiebranche und des Automobilsektors mit einem steigenden Angebot aus China zusammengefallen sind.?

Doch obwohl China weltweit dominiert, befindet sich seine Wirtschaft weiterhin im Umbruch.

Die EIA kommt zu dem Schluss, dass ?Chinas Innovationssystem angemessen genutzt werden muss, um das breite Spektrum der ben?tigten kohlenstoffarmen Energietechnologien zu f?rdern. In einem Kommentar zum jngsten Fnfjahresplan, hei?t es weiter: ?Die derzeitigen politischen Anreize in China eignen sich besser fr Gro?technologien, wie CCUS und Bioraffinerie, als fr Netzinfrastrukturen und verbrauchernahe Produkte, die Chinas derzeitige St?rken in der Produktion sind."?

Klimafinanzierung

Ein wichtiger Teil des ?bergangs zu Net Zero ist dessen Finanzierung. Grne Anleihen haben in China ein explosionsartiges Wachstum erlebt, da das Land eine Fhrungsposition im Bereich der Klimafinanzierung anstrebt. In der Green Bond Database (GBDB) der Climate Bonds Initiative sind 85,4 Milliarden USD (575,2 Milliarden RMB) C und damit der gr??te Wert weltweit C verzeichnet.

China hat in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum der grnen Finanzierung verzeichnet, was den raschen Fortschritt bei sauberen Energien, kohlenstoffarmem Verkehr und in anderen Bereichen widerspiegelt,

sagt Sean Kidney von der Climate Bonds Initiative. Er f?hrt fort: ?Es gibt noch sehr viel zu tun, vor allem bei der Umstellung der Energie- und Industriesektoren. Grne Anleihen und ?bergangsanleihen werden dazu beitragen, diesen Wandel voranzutreiben.6

Abbildung 5: Chinas Emission grner Anleihen nahm 2022 weiter zu

Ausgabe grner China-Anleihen

Diagrammbeschreibung: Dieses S?ulendiagramm zeigt den Anstieg des Emissionsvolumens grner China-Anleihen von 2016 bis 2022. Es ist eine deutliche Zunahme ab 2021 zu erkennen, die im Verlauf des Jahres 2022 anh?lt.

Wie Kidney anmerkt, gibt es noch viel zu tun, da der Anteil der grnen Anleihen im Vergleich zu Chinas gesamten Emissionen auf dem Onshore-Markt unter 2% liegt. Mit der Ausweitung des Marktes wird jedoch auch die Vielfalt der Emittenten und Anleger zunehmen.

W?hrend Chinas SOEs bei der Emission thematischer Anleihen dominiert haben, ist damit zu rechnen, dass sich dies auf ?ffentliche und private Organisationen ausweiten wird und sowohl inl?ndische als auch internationale Investoren teilnehmen werden.

Chinas gro? angelegter ?bergang wird zweifelsohne neue M?glichkeiten fr verschiedenste Investoren schaffen.

Programmatische Sicherheit und die Suche nach einer gemeinsamen Basis

Spannungen innerhalb Environmental, Social and Governance (ESG) sind bereits bekannt. In den USA sind ESG und nachhaltiges Investment zu Themen geworden, das sich konservative Republikaner und liberale Demokraten wie ein Tennisball zuspielen. Ebenso extrem ist die Kluft zwischen dem Westen und China und k?nnte berdies westliche Investitionen in die chinesische Energiewende beeinflussen.

Es scheint, als brauchten wir eine greifbare gemeinsame Basis.

Es vergeht kaum ein Tag ohne einen weiteren Aufruf der (westlichen) nachhaltigen Investmentgemeinschaft zu einem gr??eren Ma? an programmatischer Sicherheit und Engagement fr Net Zero. Doch in der Verachtung von ineffizienten Entscheidungsprozessen und politischer L?hmung ist nicht einmal ein Hauch an Selbstreflexion oder Ironie zu spren.

Man behalte im Kopf, dass CO?-Neutralit?t fr Chinas langfristiges Wachstum und seinen Wohlstand von entscheidender Relevanz ist. Der Weltbank zufolge ist China auf einem guten Weg, zu einer CO?-neutralen Wirtschaft berzugehen und seine Klimaverpflichtungen zu erfllen und gleichzeitig sein Wirtschaftswachstum fortzusetzen.? All seinen vermeintlichen M?ngeln zum Trotz ist Chinas politisches System dazu in der Lage, schnell zu mobilisieren und einen langfristigen Kurs mit gro?er programmatischer Sicherheit festzulegen. Dabei muss auch die unternehmerische und sozialbewusste Seite der chinesischen Gesellschaft beachtet werden. Nehmen wir zum Beispiel die Umweltverschmutzung:

Aufgrund des zunehmenden Bewusstseins und der wachsenden Frustration ber die st?dtische Verschmutzung haben eine Reihe politischer Ma?nahmen seit 2014 zu einem raschen Rckgang der Feinstaubbelastung gefhrt.

Der au?erordentliche Erfolg der Blue Map App C die erm?glicht, die Luftqualit?t zu erheben und im Jahre 2021 Finalist des Earthshot-Preises war C ist beispielhaft fr die komplexe positive Rckkopplungsschleife zwischen Innovation und zivilem Engagement. Auf der offiziellen Website von Earthshot hei?t es: ?Die Blue Map App verk?rpert die Macht von Transparenz und Rechenschaft. Sie lehrt uns au?erdem eine Lektion C dass eine Verbindung zwischen Innovation und gesellschaftlicher Beteiligung Fortschritt hervorbringt.

Fr einige im Westen sind China und Nachhaltigkeit jedoch nicht miteinander vereinbar. Aber wie Dr. Keyu Jin es sagt: ?Selbst wenn man in Chinas Ansatz eine gewisse Logik erkennt, hei?t das nicht, dass man ihn in seiner G?nze untersttzt.? Und in den Worten der Kommunistischen Partei selbst gilt es, ?mit der Zeit voranzuschreiten (yu shi ju jin).

Chinas Zukunft ist, wie die aller anderen L?nder auch, noch nicht in Stein gemei?elt. Die Bew?ltigung klimatischer Risiken zugunsten gro?er Verm?genseigentmer (Universaleigentmer) und der globalen Umwelt machen es deshalb fr Anleger unabdingbar, eine differenziertere Perspektive einzunehmen.

Denn wenn China scheitert, scheitern wir alle.

Der China-Komplex

Diese Sonderausgabe von Panorama ist China gewidmet und bietet eine umfassendere Sichtweise auf das Land aus der geopolitischen, nachhaltigen, wirtschaftlichen und marktwirtschaftlichen Perspektive.

?ber den Verfasser
  • Lucy Thomas

    Lucy Thomas

    Head of Sustainable Investing and Impact

    Lucy Thomas geh?rt ۶Ƶ Asset Management seit Januar 2022 als Head of Sustainable Investing and Impact an. Zuvor wirkte sie als Head of Investment Stewardship bei Tcorp, wo sie ein Rahmenkonzept fr nachhaltige Anlagen erarbeitete und als Mitglied des Management Investment Committee ein verwahrtes Verm?gen von 110?Mrd. US-Dollar beaufsichtigte. Auf einer frheren Station ihrer Laufbahn war sie Global Head of Sustainable Investment bei Willis Towers Watson (2014-2018). Lucy Thomas ist Mitglied der Arbeitsgruppe Klimabezogene Finanzberichterstattung (TCFD) und der Investor Advisory Group des IFRS International Sustainability Standards Board. Sie ist erfolgreiche Absolventin der Prfung zum Chartered Financial Analyst (CFA).

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