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Was ist geschehen?
Der voraussichtlich nächste deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz stellte am Mittwoch Pläne vor, die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur deutlich zu erhöhen. Dies trug am Mittwoch zu Kursgewinnen von 3,4% für den deutschen Aktienindex DAX und zum schnellsten Anstieg der Staatsanleihenrenditen seit dem Jahr 2020 bei. Friedrich Merz, dessen Christlich Demokratische Union (CDU) vor Kurzem die Bundestagswahl gewonnen hatte, sagte, sein Land werde tun «whatever it takes», um «Bedrohungen der Freiheit und des Friedens» in Europa abzuwehren. Damit zitierte er wörtlich das Versprechen des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi aus dem Jahr 2012, die Eurozone während der Schuldenkrise zu verteidigen.

Merz, der aktuell Koalitionsgespräche mit der Sozialdemokratischen Partei (SPD) führt, möchte das Parlament einberufen und eine Genehmigung für Infrastrukturausgaben in Höhe von EUR 500 Mrd. einholen. Ausserdem sollen alle Verteidigungsausgaben, die 1% des Bruttoinlandprodukts (BIP) übersteigen, von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Letztere wurde 2009 eingeführt, um das strukturelle Haushaltsdefizit auf 0,35% des BIP zu begrenzen. Darüber hinaus soll das erlaubte Defizit von 0,35% des BIP auf die Bundesländer ausgeweitet werden, die aktuell einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen müssen. Dadurch könnte sich die staatliche Schuldenaufnahme potenziell auf maximal 0,7% des BIP pro Jahr erhöhen.

Dieses Vorhaben muss aber noch durch den Deutschen Bundestag genehmigt werden, wofür eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Aufgrund der unvermeidlichen Verzögerungen der Fiskalpolitik könnten die ersten zusätzlichen Ausgaben erst im späteren Jahresverlauf und im Jahr 2026 in der Wirtschaft ankommen. Doch trotz dieser Vorbehalte könnte dieser ambitionierte Ausgabenplan das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Vermögenswerte in der Eurozone unterstützen.

Der Umfang der fiskalpolitischen Impulse könnte die Zuversicht bereits steigern, noch bevor die höheren Ausgaben eine belebende Wirkung auf die Wirtschaft haben. Falls das Paket verabschiedet wird, würden die Staatsausgaben während des kommenden Jahrzehnts kumuliert um ca. 20% des BIP gesteigert werden. Dies wäre auch die umfangreichste fiskalpolitische Änderung seit 80 Jahren und würde sogar die Ausgaben im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands in den Neunzigerjahren übertreffen. Das ausgeprägt wachstumsfreundliche Signal dieses Vorhabens könnte das Konsumentenvertrauen und das Geschäftsklima lange vor der ersten Verwendung der Mittel unterstützen. Daher ergeben sich aus der Ankündigung auch Aufwärtsrisiken für unsere Wachstumsprognosen für Deutschland sowie allgemeiner für die Eurozone. Dies könnte auch helfen, potenzielle Belastungen der Wirtschaft in der Eurozone durch höhere US-Zölle auszugleichen.

Höhere deutsche Staatsausgaben könnten zur bereits laufenden Verbesserung des Umfelds für Aktien beitragen. Nach der Ankündigung von Merz erhöhte sich das DAX-Plus im bisherigen Jahresverlauf auf 16%, wodurch der Index zu einem der Märkte mit der bisher besten Performance im Jahr 2025 weltweit wurde. Zyklische und verteidigungsbezogene Sektoren führen den Zuwachs an. Trotz dieser jüngsten Rally bleiben Aktien in Deutschland und Europa vergleichsweise günstig, wobei sich mehrere Impulse abzeichnen. Die neue deutsche Regierung ist wachstumsorientierter und zeigte eine Bereitschaft, die Schuldenbremse zu reformieren, was durch die gesunde Haushaltslage Deutschlands unterstützt wird. Die geplante Steigerung der Verteidigungsausgaben unterstreicht diese Haltung, woran sich weitere Investitionen anschliessen können, insbesondere in Infrastruktur und erneuerbare Energie. Nach einer jahrelangen Phase mit zu niedrigen Investitionen würden höhere Staatsausgaben unseres Erachtens durch die Aktienmärkte gut belohnt werden.

Angesichts der soliden Haushaltslage Deutschlands ergibt sich aus dem Anstieg der Renditen eine Gelegenheit. Die Renditen der 10-jährigen deutschen Bundesanleihen stiegen von 2,4% am vergangenen Freitag auf 2,80% zum Zeitpunkt der Niederschrift. Unseres Erachtens haben die Anleihenmärkte in Bezug auf das Kreditrisiko überreagiert und vielleicht sogar die technischen Auswirkungen durch ein höheres zukünftiges Anleihenangebot überschätzt. Der genaue Zeitplan der zusätzlichen Ausgaben Deutschlands ist zwar noch unklar, doch wir halten es für unwahrscheinlich, dass das Kreditrating von Aaa / AAA gefährdet ist. Selbst wenn Deutschland die Ausgaben während der nächsten zehn Jahre auf das oben genannte Niveau erhöhen sollte, deuten unsere Simulationen unter Annahme eines moderaten Wachstumsmultiplikators an, dass die Verschuldungsquote auch dann bis zum Jahr 2030 noch immer rund 65% des BIP erreichen würde (solange es zu keinen anderen Wachstums- und Schuldenschocks kommt).

Wir sind der Meinung, dass die Pläne der Bundesregierung die Anlageaussichten für Deutschland und die Region verbessern können. Die Unsicherheit bleibt jedoch hoch, insbesondere im Hinblick auf das potenzielle Zollrisiko. Deshalb sind wir der Meinung, dass ein selektiver Ansatz notwendig ist. Wir empfehlen nach wie vor ein DAX-Engagement durch strukturierte Strategien oder durch eine selektivere Vorgehensweise über unser Thema «Sechs Möglichkeiten, in Europa anzulegen». Alternativ halten wir den Industriesektor der EWU sowie Small und Mid Caps der EWU noch immer für «Attraktiv». Bei Anleihen betrachten wir den Renditeanstieg als eine Gelegenheit, um sich attraktive Renditen hochwertiger Unternehmensanleihen mit mittlerer Laufzeit zu sichern. Darüber hinaus könnte die wesentliche Richtungsänderung der europäischen Fiskalpolitik unseres Erachtens dem Euro zugutekommen und seine Abwärtsrisiken verringern. Kurzfristig erkennen wir aber das Risiko eines EURUSD-Rückgangs, da die Eskalation der Zolldrohungen aus den USA die Stimmung belasten und das weitere Aufwärtspotenzial begrenzen könnte.

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